Der Koloss von Oberreute – Ein römisches Erbe im Allgäu

Ein überraschender Fund im Hausbach

Nach einem Hochwasser im Jahr 1994 wurden im Hausbach von Weiler Überreste einer gigantischen Statue entdeckt. Schnell war klar, dass es sich um ein bedeutendes Relikt aus der Römerzeit handelt. Dieser Fund weist darauf hin, dass sich in der Gegend um Oberreute ein kulturelles Zentrum befunden haben muss, ähnlich der römischen Siedlung Cambodunum, die heute im Archäologischen Park Cambodunum (APC) in Kempten zu sehen ist.

Die größte römische Statue nördlich der Alpen

Der sogenannte „Koloss von Oberreute“ ist nicht nur der größte römische Statuenfund nördlich der Alpen, sondern auch ein beeindruckendes Zeugnis römischer Kunstfertigkeit und imperialer Machtdarstellung. Der überlebensgroße Marmorkopf, der vermutlich zu Beginn des 1. Jahrhunderts n. Chr. entstand, zeigt den ersten römischen Kaiser, Augustus.

 

Der Koloss von Oberreute

Künstlerische Details und kaiserliche Propaganda

Besonders auffällig an der Statue sind die klassisch inspirierten Gesichtszüge, die sich stark an den Stil des berühmten griechischen Bildhauers Polyklet orientieren. Die Frisur, mit ihren charakteristischen Locken und dem markanten Stirnhaar, weist eindeutig auf Augustus hin. Solche idealisierten Darstellungen dienten nicht nur als Kunstwerk, sondern auch als Teil der kaiserlichen Propaganda, die Augustus als mächtigen und tugendhaften Herrscher präsentierte.

Die Rolle des Fundorts und seine historische Bedeutung

Der Fundort in Weiler, nahe einer ehemaligen römischen Provinz, lässt vermuten, dass der Marmorkopf einst Teil einer monumentalen Kolossalstatue war, die als Symbol der Macht diente. Neueste Forschungen deuten darauf hin, dass in der oberen Hausbachklamm eine große römische Festung gestanden haben könnte. Diese Festung, ausgestattet mit der mächtigen Statue des Kaisers Augustus, sollte Feinde im Norden abschrecken und die Macht des römischen Reiches demonstrieren. Überraschend dabei ist, dass die römische Präsenz im Westallgäu offenbar bereits 20 Jahre früher einsetzte als bisher angenommen.

Dank an Archäologe Prof. Pfanner

Der bedeutende Fund wurde dem Engagement des Archäologen Prof. Pfanner zu verdanken, der gemeinsam mit Freiwilligen den Marmorkopf aus dem Hausbach barg. Das Hochwasser hatte zuvor die Nase der Statue freigelegt, was die Bergung ermöglichte. Leider konnten bislang keine weiteren Ausgrabungen stattfinden, da die notwendige Zustimmung durch Grundstücksbesitzer und die Untere Naturschutzbehörde Lindau aussteht.

Der Koloss heute

Seit 2013 ist der Marmorkopf des Kolosses von Oberreute als Dauerleihgabe im Innenhof von Schloss Hohentübingen in Tübingen ausgestellt. Er erinnert an die reiche römische Geschichte der Region und bleibt ein beeindruckendes Symbol römischer Herrschaft nördlich der Alpen.